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Die Zukunft der Jugendförderung im KI-Zeitalter

Gedanken von Rolf Schaub in Zusammenarbeit mit KI

Die Zukunft der Jugendförderung im KI-Zeitalter: Reflexionen eines Praktikers

Von Rolf Schaub, Gründer und ehemaliger CEO der ICT Scouts

Nach 30 Jahren in der IT-Ausbildung stelle ich mir heute eine unbequeme Frage: Bereiten wir junge Menschen noch auf relevante Berufe vor? Als ehemaliger CEO der ICT Scouts sehe ich ein Paradox: 20% mehr IT-Arbeitslose trotz Fachkräftemangel. Meine Gedanken zur Zukunft der Jugendförderung im KI-Zeitalter habe ich in diesem Artikel zusammengefasst. Was denkt ihr? Bilden wir eine Generation für Jobs aus, die es bald nicht mehr gibt? Nächste Woche folgt ein KI-Podcast, in dem ich diese Gedanken diskutieren lasse – bin gespannt auf die Interpretation meiner 30-jährigen Praxis-Erfahrung.


Hier können Sie den Podcast anhören 

Rückblick auf drei Jahrzehnte in der IT-Ausbildung

Als ich 2013 die ICT Scouts ins Leben rief, blickte ich bereits auf 20 Jahre Erfahrung in der Ausbildung von Informatiklernenden zurück. Die Idee war klar: Mehr Jugendliche mit technischen Skills und IT-Fähigkeiten für die Wirtschaft vorzubereiten und dem damaligen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Bis 2024 führte ich als CEO diese Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hatte, "TechTalents" zu finden, zu fördern und zu vernetzen.

Doch heute, im Jahr 2025, stelle ich mir grundsätzliche Fragen zur Zukunft der IT-Ausbildung: Bereiten wir junge Menschen noch auf relevante Berufe vor? Oder bilden wir eine Generation für Jobs aus, die es bald nicht mehr geben wird?

Die Pfadfinder-Erfahrung: Frühe Lektionen in Jugendförderung

Bereits 1976, im Alter von 16 Jahren, war ich Leiter einer Pfadfinderabteilung mit etwa 100 Kindern. Schon damals beschäftigte mich die Frage: Wie können wir Jugendliche für sinnvolle Aktivitäten begeistern? Fast 50 Jahre später kehre ich zu dieser Grundfrage zurück – nur unter völlig veränderten Vorzeichen.

Der demografische Paradox: Bevölkerungsrückgang trifft Automatisierung

Wir stehen vor einem demografischen Paradox: Einerseits führt die alternde Bevölkerung in westlichen Ländern zu einem rückläufigen Arbeitskräfteangebot. Die Geburtenraten sinken, die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft. Traditionell würde dies zu einem verschärften Fachkräftemangel führen.

Andererseits erleben wir eine beispiellose Produktivitätsrevolution durch KI und Robotik. Ein einzelner KI-unterstützter Wissensarbeiter kann heute die Arbeit erledigen, für die früher mehrere Fachkräfte nötig waren. Diese gegenläufigen Trends – demografischer Wandel und technologische Disruption – erzeugen eine völlig neue Dynamik am Arbeitsmarkt.

Die entscheidende Frage ist: Wird die Automatisierung schneller voranschreiten als der demografische Wandel? Die ersten Anzeichen deuten darauf hin: Trotz alternder Bevölkerung verzeichnen wir in der Schweiz einen Anstieg der IT-Arbeitslosigkeit um 20% gegenüber dem Vorjahr.

Das Dilemma der digitalen Bildung

In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz und Robotik rasant voranschreiten und ganze Berufsfelder transformieren, stellt sich eine fundamentale Frage: Ist es noch verantwortlich, junge Menschen primär für IT-Berufe auszubilden, die möglicherweise bald obsolet werden?

Aus meiner 20-jährigen Erfahrung in der Ausbildung von Informatiklernenden kann ich sagen: Die Veränderungen sind dramatisch. Was früher Wochen dauerte, erledigen heute KI-Systeme in Minuten. Roboter übernehmen nicht nur in der Produktion, sondern zunehmend auch in der Softwareentwicklung komplexe Aufgaben.

Die Fußball-Metapher: Wenn Maschinen besser werden als Menschen

Stellen wir uns vor, wir würden Roboter entwickeln, die besser Fußball spielen als die besten Profis der Welt. Diese Roboter würden in den obersten Ligen spielen, und noch dazu würden sie von anderen Robotern entwickelt und gebaut. Was würde das für den Fußball-Nachwuchs bedeuten?

Genau diese Situation erleben wir bereits in der IT-Branche: KI-Systeme schreiben Code, debuggen Programme und entwickeln Software-Architekturen. Roboter bauen und programmieren andere Roboter. Der traditionelle Programmierer wird zunehmend überflüssig.

Die branchenübergreifende KI-Revolution

Was in der IT beginnt, wird sich auf nahezu alle wissensbasierten Berufe ausweiten:

Kreativberufe
  • Design: KI generiert Layouts, Illustrationen und Animationen in Sekundenschnelle
  • Content Creation: Texte, Videos und Marketingmaterialien entstehen KI-gestützt
  • Medienproduktion: Ein einzelner "Prompt Engineer" ersetzt ganze Teams
Finanz- und Rechtssektor
  • Buchhaltung: Automatisierte Systeme übernehmen Routineaufgaben
  • Rechtsberatung: KI-Systeme analysieren Verträge und erstellen Standarddokumente
  • Finanzanalyse: Algorithmen treffen Anlageentscheidungen präziser als Menschen
Medizinischer Bereich
  • Diagnostik: KI-Systeme erkennen Krankheitsmuster mit höherer Genauigkeit
  • Therapieplanung: Algorithmen optimieren Behandlungspfade
  • Forschung: KI beschleunigt die Medikamentenentwicklung um Jahre
Pflege und Betreuung
  • Robotische Assistenzsysteme unterstützen bei körperlich anstrengenden Aufgaben
  • KI-gestützte Überwachung ermöglicht es einer Pflegekraft, mehr Patienten zu betreuen
  • Telepräsenz-Systeme vervielfachen die Reichweite des Fachpersonals

Diese Entwicklungen könnten gerade im Gesundheits- und Pflegesektor, wo der demografische Wandel besonders spürbar ist, den Personalmangel teilweise kompensieren.

Robotik und KI: Die doppelte Disruption

Während wir uns auf die Auswirkungen der KI konzentrieren, übersehen wir oft die parallel verlaufende Revolution in der Robotik. Moderne Roboter sind nicht mehr nur mechanische Arme in Fabriken – sie sind intelligente, lernfähige Systeme, die komplexe physische und kognitive Aufgaben übernehmen können.

Diese doppelte Disruption durch KI und Robotik betrifft nicht nur die IT-Branche, sondern praktisch alle Bereiche der Wirtschaft. Von der Buchhaltung bis zur Chirurgie, von der Logistik bis zur Rechtsberatung – überall entstehen Systeme, die menschliche Arbeit effizienter und kostengünstiger erledigen.

Die Produktivitätsrevolution als Antwort auf den demografischen Wandel

Der demografische Wandel führt zu weniger Arbeitskräften – doch die KI-Revolution führt zu einem geringeren Bedarf an diesen Arbeitskräften. Ein einzelner KI-unterstützter Wissensarbeiter kann heute die Arbeit von 3-10 konventionellen Fachkräften leisten. Diese Produktivitätssteigerung könnte den demografisch bedingten Rückgang des Arbeitskräfteangebots mehr als kompensieren.

Wir erleben bereits, wie diese Produktivitätsrevolution den traditionellen Zusammenhang zwischen Demografie und Arbeitsmarkt auflöst:

  • Automatisierung kognitiver Routineaufgaben: Was früher Teams beschäftigte, erledigt heute Software
  • Demokratisierung der Expertise: Komplexe Aufgaben werden durch KI-Tools für Generalisten zugänglich
  • Globale Vernetzung: Arbeit kann zunehmend ortsunabhängig erledigt werden, was den lokalen demografischen Effekt abschwächt

Der Wandel zum Homo Ludens

Vielleicht liegt die Zukunft der Menschheit tatsächlich mehr in Richtung Freizeit und Spiel – dem Konzept des "Homo Ludens". Doch hier zeigt sich ein Problem: Die meisten Menschen wollen nicht nur spielen. Sie brauchen eine Aufgabe, ein Ziel, einen Sinn in ihrem Leben.

In einer Welt, in der traditionelle Berufe verschwinden, müssen wir neue Formen der sinnvollen Beschäftigung und gesellschaftlichen Teilhabe entwickeln. Die Frage ist nicht mehr nur "Wie bereiten wir auf Berufe vor?", sondern "Wie bereiten wir auf ein erfülltes Leben in einer automatisierten Welt vor?"

Neue Wege in der Jugendförderung

Aus meiner Erfahrung sowohl in der Pfadfinderei als auch in der IT-Ausbildung sehe ich die Notwendigkeit, junge Menschen auf eine Zukunft vorzubereiten, die fundamental anders aussehen wird als die Gegenwart. Dabei geht es nicht um die Abschaffung technischer Bildung, sondern um eine Ergänzung durch Fähigkeiten, die auch in einer automatisierten Welt wertvoll bleiben:

  • Praktische Lebensfähigkeiten und handwerkliche Kompetenzen
  • Soziale und emotionale Intelligenz
  • Kreativität und kritisches Denken
  • Problemlösungsfähigkeiten jenseits der digitalen Welt
  • Führungsqualitäten und Teamfähigkeit
  • KI-Verständnis und KI-Kollaboration

Die Herausforderung für Bildungsorganisationen

Organisationen, die sich der Jugendförderung verschrieben haben, stehen vor enormen Herausforderungen. Sie müssen sich fragen: Wie können wir junge Menschen auf eine Zukunft vorbereiten, die wir selbst noch nicht vollständig verstehen?

Die Antwort liegt möglicherweise nicht in einer kompletten Neuausrichtung bestehender Programme, sondern in einer intelligenten Ergänzung: Technische Kompetenzen bleiben wichtig, aber sie müssen durch zukunftssichere menschliche Fähigkeiten ergänzt werden.

Zukunftsszenarien für Arbeit und Bildung

Szenario A: Technologie kompensiert Demografie
  • KI und Robotik steigern die Produktivität so stark, dass weniger Arbeitskräfte benötigt werden
  • Trotz alternder Bevölkerung entsteht ein Überangebot an Arbeitskräften in vielen Bereichen
  • Bildungssysteme müssen sich auf neue Berufsbilder und lebenslange Umschulung konzentrieren
Szenario B: Demografischer Wandel und Technologie im Gleichgewicht
  • Automatisierung und demografischer Rückgang halten sich die Waage
  • Bestimmte Sektoren (besonders personenbezogene Dienstleistungen) bleiben personalintensiv
  • Bildungssysteme müssen gezielt auf diese Wachstumsbereiche vorbereiten
Szenario C: Die transformierte Arbeitswelt
  • Radikale Neuverteilung der Arbeit zwischen Mensch und Maschine
  • Neue Formen der Teilzeitarbeit und des gesellschaftlichen Engagements entstehen
  • Bildungssysteme fokussieren auf Lebenskompetenzen und Sinnfindung jenseits traditioneller Berufe

Ein Praktiker reflektiert

Nach drei Jahrzehnten in der IT-Ausbildung und Jugendförderung ist mir klar geworden: Wir stehen vor der größten Transformation der Arbeitswelt seit der industriellen Revolution. Es ist unsere Verantwortung als Ausbilder und Förderer, ehrlich über diese Herausforderungen zu sprechen und neue Wege zu erkunden.

Die steigenden Arbeitslosenzahlen in der Schweizer IT-Branche sind möglicherweise nur der erste sichtbare Indikator einer fundamentalen Umwälzung. Was wir heute als "Fachkräftemangel" bezeichnen, könnte schon bald als historisches Relikt einer vergangenen Wirtschaftsordnung erscheinen – trotz oder gerade wegen des demografischen Wandels.

Fazit: Mut zur Veränderung

Die Bildungslandschaft muss sich der komplexen Realität stellen: Der demografische Wandel und die technologische Revolution wirken gleichzeitig auf unsere Gesellschaft ein. Die Frage ist nicht, ob dieser Wandel kommt – sondern wie wir junge Menschen darauf vorbereiten.

Als jemand, der sowohl die Pfadfinderei als auch die Tech-Welt geprägt hat, sehe ich meine Verantwortung darin, diese Diskussion anzustoßen. Nicht um bestehende Organisationen zu kritisieren, sondern um gemeinsam neue Wege zu finden.

Die Zukunft gehört nicht denen, die am besten programmieren können – sondern denen, die am besten mit Menschen und Maschinen zusammenarbeiten können. Wir müssen den Mut haben, unsere Bildungssysteme und Förderkonzepte grundlegend zu überdenken, um junge Menschen auf eine Welt vorzubereiten, in der sowohl der demografische Wandel als auch die KI-Revolution unsere Gesellschaft fundamental verändern werden.

Rolf Schaub ist Gründer und ehemaliger CEO der ICT Scouts (2013-2024), bildete 20 Jahre lang Informatiklernende aus und war bereits 1976 als 16-Jähriger Leiter einer Pfadfinderabteilung mit etwa 100 Kindern.

Anhang

Dieser Artikel entstand in der Zusammenarbeit von Rolf Schaub mit KI. Vielleicht ein Beispiel wie es in Zukunft sein könnte.

Diese Kollaboration zwischen Mensch und Maschine illustriert selbst einen der Kernpunkte des Artikels: Die Zukunft liegt nicht im Wettbewerb zwischen Mensch und KI, sondern in ihrer Synergie. Der Autor brachte seine jahrzehntelange Erfahrung, persönlichen Einsichten und kritischen Fragen ein, während die KI bei der Strukturierung, Ausformulierung und Erweiterung der Gedanken unterstützte.

Diese Art der Zusammenarbeit könnte exemplarisch für neue Arbeitsmodelle stehen:

  • Der Mensch liefert Erfahrung, Werte und Vision
  • Die KI unterstützt bei Recherche, Strukturierung und Formulierung
  • Das Ergebnis vereint menschliche Weisheit mit maschineller Effizienz

In einer Welt, in der KI zunehmend kognitive Aufgaben übernimmt, zeigt diese Kollaboration einen möglichen Weg, wie Menschen und Maschinen gemeinsam Werte schaffen können – eine praktische Demonstration des im Artikel beschriebenen Paradigmenwechsels.


Warum mein Dorf plötzlich ein KI-Paradies ist (Spoiler: Ist es nicht!) 🌄❌